Die Tage werden kürzer und das hat Vorteile. Ich muss nun nicht mehr um 4 Uhr in der Nacht aufstehen um irgendwo auf einem Berg den Sonnenaufgang fotografieren zu können.
Also stehe ich am Sonntag erst um 7 Uhr bei der kleinen Gondelbahn in Isenfluh welche mich nach Sulwald bringen soll. Mein Ziel sind die Lobhörner. Bis dahin habe ich eine längere Wanderung im Morgengrauen vor mir. Der Weg liegt noch im Schatten und es ist ziemlich kühl auf über 2000 m ü.M. Langsam gewinne ich an Höhe und beobachte die ersten Sonnenstrahlen auf den mir direkt gegenüberliegenden Berggipfeln von Eiger, Mönch und Jungfrau. Fasziniert mache ich erste Bilder, nehme mir dann aber vor, so rasch wie möglich weiterzulaufen um an meinem eigentlichen Ziel den Lobhörner das Morgenlicht noch zu erwischen. Der Weg wird steiler und zunehmend alpiner. Meine neuen Bergschuhe drücken. Auf halben Weg muss ich mir gestehen, dass ich es nicht mehr schaffe, die Hörner im Morgenlicht zu erwischen.
Stattdessen schalte ich einen Gang runter und sehe mich am grandiosen Panorama satt. Hell scheint das Morgenlicht an den benachbarten Gipfeln. Dunkel hingegen sind die Berghänge dazwischen. Ein solch hoher dynamischer Umfang ist schwierig in einem Bild einzufangen. Abhilfe bietet dir eine Bildreihe mir Mehrfachbelichtung. Beim ersten Bild belichte ich den Himmel korrekt, beim zweiten Bild den Mittelgrund und beim dritten Foto den Vordergrund. In der Nachbearbeitung können diese drei Bilder dann übereinander gelegt werden. Daraus resultier ein HDR (high dynamic range) Bild, welche mir persönlich aber meist zu künstlich aussehen. Deshalb bearbeite ich diese Bilder im Nachhinein immer nochmals und schraube an Sättigung und Kontrast.
Eine andere Vorgehensweise bieten Graufilter. Ich bin aber in den meisten Fällen kein Fan davon und spare mir den Platz im Rucksack und das Gefummel unterwegs. Auch deshalb weil Filter elektronisch in der Bildbearbeitung leicht eingesetzt werden können und diese bei dezentem Einsatz auch wirklich klasse aussehen. Aus der Euphorie raus, muss ich mich dann immer zwingen, mit Klarheit, Kontrast und Farben zurückzuhalten.
Nach meinem kurzen Fotostop geht’s weiter bergwärts. Die Baumgrenze habe ich hinter mir gelassen und das Gelände wird steiler und ausgesetzter. Bald kommt mein Ziel die Lobhörner in Sicht. Vor dem letzten Aufstieg flacht das Gelände nochmals etwas ab und ist ideal zum Fotografieren. Den sich schlängelnde Bergweg eignet sich ideal als führende Linie in meinem Bild. Ich benutze ihn auch als eine Art Vordergrundobjekt. Der Weg soll von unten ins Bild kommen und bis zum eigentlichen Objekt, den Berggipfeln führen. Als Wanderer in den Bergen bin ich dankbar für den strahlend blauen Himmel. Als Fotograf wünschte ich mir jetzt einen etwas dramatischeren Himmel mit verrückten Wolken. Am Fuss der Lobhörner mache ich Rast staune über die mir zu Füssen liegende Bergwelt.
Die Hörner sind rasch umrundet und nach einem Abstecher auf den Gipfel des kleinen Lobhorns geht es auf dem Nachbargrat Richtung Tal. Die wenigen ausgesetzten und heiklen Stellen sind problemlos passierbar und nach einer weiteren Stunde Marsch bade ich meine geschundenen Füsse im kalten Sulsseewli. 7 Stunden wandern sind dann für meine Fersen in den neuen Schuhen doch zu viel und ich büsse mit einigen Blasen. Aber nicht nur die bleiben mir als nachhaltige Erinnerung an diesen Tag. Ich habe viele tolle Bilder nach Hause gebracht und einen unvergesslichen Tag in den Bergen erlebt.
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Vicky (Dienstag, 08 Oktober 2019 21:09)
Coole Blogbitrag! Spannend zläse