Ich habe alles fotografiert

Als ich das letzte Mal genau hier auf diesem Parkplatz, nahe dem Gurnigelpass, aus meinem Auto gestiegen bin, war weit und breit kein Mensch zu sehen oder zu hören. Es war 6:00 Uhr in der Früh und ich hatte den ganzen Naturpark für mich alleine. 

Heute sieht das ein wenig anders aus. Ich habe mich erst Mitte Vormittag auf den Weg gemacht und finde mich in einem Getümmel von Langläufern, Spaziergängern und Schlittenfahrern wieder. Zum Aussichtpunkt von welchen aus ich mir tolle Fotos erhofft habe, zieht sich eine Karawane von Sonntagsausflüglern hin. Ich mittendrin.

 

Oben erwartet mich ein wunderschönes 360 Grad Panorama. Bis weit ins Berner Oberland kann man blicken und das ganze Mittelland liegt mir zu Füssen. Ich fotografiere weitwinklig um möglichst viel von dieser fantastischen Landschaft aufs Bild bringen. Ich schaue mir die Bilder auf dem Display an und bin ernüchtert. Andere Perspektiven und kleiner Winkel bringen auch keine Besserung. Ich bin endtäuscht und verliere allmählich die Lust. Die Bilder sind schon ok, aber sie zeigen halt einfach ein "normales" Panorama. Da ist nichts was ich nicht schon irgendwie fotografiert habe. Irgendwas fehlt. Obwohl ich hier an diesem Ortnoch nie zuvor gewesen bin denke ich so. Ich versuche nochmals das Resultat zu verbessern. Keine Chance. Der helle kontrastlose Himmel ist langweilig, der Vordergrund ist uninteressant oder fehlt komplett und die Farben wirken matt und blass. Ich packe meinen Rucksack und begebe mich auf den Abstieg. Dabei sinniere ich über das eben erlebte und meine Gefühle. Sowas ist mir beim Fotografiere noch nie passiert. Bisher hatte ich immer Freude und war inspiriert von den verschiedensten Dingen.

 

Was ist geschehen? Gibt es nichts mehr zu fotografieren was mich interessiert? Kann ich nur bei Sonnenauf- oder -untergang tolle Bilder schiessen? Sind meine Ansprüche an mich selber zu hoch? Oder bin ich tatsächlich Fotografie übersättigt? Vielleicht ist es eine Kombination aus allem. Meine Ansprüche an meine Bilder sind definitiv höher als noch vor einem Jahr. Ich will mich ja entwickeln und immer besser werden. Tatsächlich habe ich im letzten Jahr Vieles fotografiert und ausprobiert. Inzwischen weiss ich besser was ich will. Ich fotografiere mehr und knipse weniger. Ich kehre nur noch selten mit 600 Bildern nach Hause zurück. Inzwischen sind es jeweils eher hundert aber dafür lösche ich zu Hause dann auch weniger. Qualität statt Quantität. Dafür wünsche ich mir natürlich für meine Bilder auch das ideale Licht und das Beste findet man nun mal bei Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang. Ich bin aber überzeugt, dass man auch bei normalem Tageslicht über Mittag einzigartige Fotos machen kann. Hierbei sind Kreativität und ein gutes Auge für Details wichtig. Das Bild muss auch ohne einmalige Lichtstimmung bestehen können. Diese Fähigkeiten zu schulen und das Beste aus den gegebenen Situationen zu machen nehme ich mir als Ziel fürs Jahr 2020 vor.

 

Vielleicht würde mir auch ein wenig Abstand zur Fotografie gut tun. Ich lese Bücher über Fotografen, studiere Hefter über Fotografie, schaue mir YouTube-Videos zu Fotografie an, Bearbeite Abends Bilder, durchforsche die Sozialen Medien nach Bildern und fotografiere selbst so oft wie möglich. Ist das vielleicht ein bisschen viel? Setzte ich mich selber zu grossem Druck aus, das perfekte Bild zu schiessen? Man vergleicht sich ja auch mit den "Profis". Ich will mir vornehmen mich vermehrt darauf zu besinnen wieso ich fotografiere. Es ist mein Hobby, ich liebe es. Draussen zu sein, Bilder zu machen, Dinge zu erleben. Ich mache es für mich. Es macht mir unheimlich viel Spass. Darauf sollte ich mich konzentrieren. Ich freue mich auf ein Jahr voller Inspiration, tollen Bildern und vielen Erlebnissen draussen in der Natur.

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